Part II

Eroberung Wesels durch die Geusen

Es wurde ein Krieg, der bis in das westliche Westfalen zum Achtzigjährigen Krieg werden sollte, insofern ist der Begriff „Dreißigjähriger Krieg“ für unsere Gegend unzutreffend, da zu Beginn desselben der spanischniederländische Kampf bereits seit fünfzig Jahren das Land in verheerender Weise in Mitleidenschaft gezogen hatte.

Das Debakel der nordwestdeutschen Territorien, die nicht in der Lage waren, ihre Untertanen gegen die Räubereien der Niederländer und Spanier auch nur annähernd zu schützen, ging in erster Linie auf die gänzlich veralteten Wehrverfassungen zurück. Den marodierenden Heerhaufen beider streitenden Parteien konnte man lediglich ein Waffenaufgebot der eingesessenen Bevölkerung entgegensetzen. Bereits 1538 hatte man im Fürstbistum Münster „zur besseren Handhabung des vielfach gestörten Land-Friedens“ verordnet:

„daß den herrenlosen entlassenen Kriegsknechten, den Mord-brennern, Wiedertäufern, Straßenschindern, Aufrührern, starken Bettlern, Zigeunern oder Tartaren, nirgendwo im Stifte Aufenthalt, Sammelplätze oder Durchzüge gestatten werden sollen; daß Ueberfälle dergleichen Gesindels mit den durch Glockenschlag zu versammelnden Unterthanen gewaltsam abgewehret, und daß die mittelst regelmäßiger Streifzüge ertappt werdenden derartigen Verbrecher dem,die Streifrotten begleitenden Scharfrichter zur sofortigen Strafverwirklichung überwiesen werden sollen“.

Von Köln aus gelangten die spanischen Soldaten in die Nähe Brünens, denn ihr Interesse galt dem rechtsrheinischen Bollwerk Wesel. Um 1580 nahm das gastliche Wesel, welches zuvor den vielen ausländischen Glaubensvertriebenen Schutz und Heimat gegeben hatte, auch die Bevölkerung aus den umliegenden Gemeinden auf. So auch die Brüner. Erst am 10. August 1593, so wird berichtet, fand in Brünen mit den wenigen überlebenden Heimkehrern ein Gottesdienst statt. Diese fanden dort nur noch von den Spaniern verbrannte Häuser und Höfe vor.

Trotzdem wurden in dieser Zeit von Schützen Polizei- und Ordnungsfunktionen wahrgenommen. In der Chronik von Heinrich von Weseken von 1598 – 1632, die in der Ausgabe „Geusen und Spanier am Niederrhein“ des Stadtarchivs Wesel veröffentlicht wurde, kann man dazu folgendes lesen: „Den 5. Maii 1599 haben unsere Schutten ( Schützen) 8 Straßenräuber nicht weit von Bruinen todt geschlagen, so stetz den Borckischen und Bucholdischen Wegh unsicher machten. Ihr Kleider mit hir in der Statt gebracht. Kurz darnha haben sie dergleichen 3 in der Statt gebracht, so gericht geworden.“

Nach den langen Kämpfen ging aber endlich den Spaniern und den Holländern die Kraft aus, ohne dass sie einen Sieger ermitteln konnten. Um sich erholen zu können, vereinbarten sie im Jahre 1609 einen zwölfjährigen Waffenstillstand.

Aus dieser Zeit stammt die Silberplakette auf der die Jahreszahl 1608 eingraviert war, die bis zum 2. Weltkrieg im Besitz des Männerschützenvereins Brünen war, dann aber im Krieg leider verloren ging. Das Bild links zeigt eine Nachzeichnung aus dem Gedächtnis eines Zeitzeugen.

Da kein früheres Dokument oder Kleinod vorhanden war, wurde dieses Jahr zum Ausgangspunkt unseres Vereins benannt. Die Brandenburger Kurfürsten regierten dann über das klevische Land, nachdem sie es verstanden hatten, mit dem Tod des letzten Herzogs von Kleve über die Erbfolge in dessen Besitz zu kommen.

Die Landmiliz

In die geschichtliche Aufarbeitung des Schützenwesens gehört auch die Schaffung der Landmiliz als paramilitärische Selbstschutzorganisation. In dem Edikt von 1600 wird angeordnet, dass für das Herzogtum Jülich „der innerlicher defension halben“, Führer über die „ausgesetzten Schützen“ benannt werden sollen. Damit wurden in diesem Dokument die Schützen erwähnt, später auch als so genannte „Land- oder Amtsschützen“. Ihre Führer werden später unter dem Begriff „Landmiliz“ geführt.

In den Ämtern wurde jeder männliche Bewohner mehrmals im Jahr zu den Schützen gemustert. Hierzu trat eine Kommission, bestehend aus den Führern der Schützen (Hauptmann, Fähnrich und Leutnant) und einer oder mehrerer Amtspersonen (Amtmann, Vogt) zusammen. Jeder männliche Ortsbewohner musste „sein guth Gewehr“ mitbringen.

Die Männer wurden in drei Kategorien eingeteilt, die Altersgruppe von 15 bis 30 Jahren in die 1. Wahl, die Altersgruppe von 30 bis 45 Jahren in die 2. Wahl und die in den beiden vorherigen Gruppen zum Dienst untauglichen und die Männer über 45 bis 60 Jahren in die 3. Wahl. Die Ergebnisse dieser Musterungen wurden in einer so genannten „Musterungsrolle“ festgehalten, wovon eine dem örtlichen Schützenführer übergeben wurde.

Die 1. und 2. Wahl dieser „Amtsschützen“ wurde im Kriegsfall zur Landesverteidigung eingesetzt, während die 3. Wahl zur Verteidigung im Ort zurückblieb.

Der 30jährige Krieg

Dann brach die Zeit des 30jährigen Krieges an ( 1618 – 1648 ), alle Staaten bekämpften sich. Und so wurde die Stadt Bocholt von den Verbündeten der Schweden, den Hessen besetzt. Ihre Reiterstaffeln machten die Umgebung unsicher und so wurden auch immer wieder Klagen aus Brünen und Dingden bekannt.

In den Wirren und Gräueln des 30-jährigen Krieges verkümmerten durch die einsetzende Verarmung und Verödung der Städte und Gemeinden die alten Rechte und Privilegien der Schützengesellschaften immer mehr. Häufig gab es nicht einmal mehr genug wehrfähige Männer für den Wachdienst auf den Mauern und an den Toren, geschweige denn für die Verteidigung des Gemeinwesens gegen einen anstürmenden Feind. Nicht einmal die um 1635 wieder durch Deutschland schwappende Pestwelle konnte den alten Bruderschaftsgedanken neu beflügeln.

Der Friedensschluss zu Münster und Osnabrück im Jahre 1648 brachte zwar ein Ende der Kriegshandlungen und nach einigen Jahren auch den Abzug der hessischen Truppen, machte aber die Einrichtung der Schützengesellschaften nicht überflüssig, da noch lange Zeit entlassenes Kriegsvolk räubernd umherzog.

Der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm verpfändete Brünen 1642 an den Reichsfreiherrn Alexander II. von Veelen zu Raesfeld bis Ende des 17. Jahrhunderts. Auch das ist ein Grund , dass die Entwicklungen der Schützentraditionen des westlichen Münsterlandes auf Brünen Einfluss gehabt.

In der Zeit nach dem 30jährigen Krieg bis zum Beginn der Ausrufung des Königreichs Preußen im Jahre 1701 gab es in unserer Region weiterhin Unruhen und Epidemien. Als der französische König Ludwig XIV. gegen die Niederlande zwischen 1672 und 1688 zwei Feldzüge unternahm, hielten sich seine Truppen bei den Kämpfen um die Stadt Wesel für längere Zeit auch in Brünen auf.

Von dieser Zeit ist eine ‚Musterungsliste’ aus dem Jahre 1678 erhalten geblieben, in der die gemusterten Brüner Männer eingetragen wurden. Dort heißt es: „Anno 1678 den 7.t December hat der Herr Richter Doctor Christian Thening, auß Specialen Churfürstlichen Gnädigen befeleg, von 3.t. etjusdem, alle deß Kirspels Brüenen eingesessene, mit ihrem bey gehabten gewehr auff Kapperts bergs Gemustert und befunden Starck zu sein alß folget.“

Dann folgt eine lange Liste mit allen Namen und Hinweisen zu den Waffen, die im Besitz der Männer waren. Hier wurden natürlich in erster Linie auch die Schützen erfasst, die ein Gewehr besaßen. Das Brüner Gebiet wurde schon damals in zehn Rotts eingeteilt mit einem Rottführer, eine Tradition, die durch die Brüner Schützenvereine immer noch gepflegt wird.

Trotz der schwierigen Zeiten verzichteten die Menschen nicht auf ihre Traditionen und die damit verbundenen Feste. Ein schriftlicher Hinweis dazu stammt von der klevischen reformierten Synode im Jahre 1686 in Wesel. Dort beschwerte sich der Brüner Pastor Seither über das Schützenfest der Junggesellen. Diese Klage wurde zwecks Erledigung an die kurfürstliche Regierung geleitet mit folgendem Text:

„… gehen noch bey den Vogel- und Scheibenschießen nach den Pfingsttagen große und ärgerliche Exessen mit Sauffen, Schlagen, Tantzen, Spielen und dergleichen etliche Tage nacheinander vor, …“

Dies ist ein Beleg über die Existenz der Junggesellenschützen in Brünen für diese Zeit. Die älteste Nachricht über diese Vereinigung reicht allerdings in das Jahr 1626 zurück, als Heinrich Drost ihr König war. Dies war auf einer Königsplakette festgehalten, die nach Aussage des verstorbenen Brüner Gastwirts Rudolf Majert noch bis zum 2. Weltkrieg zum Königssilber des Vereins gehörte. Wie lange vor dieser Zeit die Junggesellenschützen als separate Schützengesellschaft neben den Männerschützen in Brünen existierten oder vielleicht ursprünglich Teil derselben waren, wird wohl nicht mehr zu klären sein.

Die Zeit der Preußen

Von 1713 bis 1740 regierte Friedrich Wilhelm I. als ‚Soldatenkönig’ das Reich. Seine Werbeoffiziere holten so manchen Bauernsohn in den Militärdienst, wenn dieser sich nicht früh genug ins benachbarte Holland abgesetzt hatte.

Dann kam 1756 der Siebenjährige Krieg und viele Brüner standen in preußischen Heeresdiensten. Durch die Verlagerung der preußischen Truppen an die Weser mussten die Bürgerwachen den Ansturm der Franzosen aufhalten, konnten dem aber nicht standhalten. In der Folgezeit plünderten französische Soldaten und auch die alliierten Preußen und Hannoveraner die umliegenden Dörfer. Erst nach dem Ende des siebenjährigen Krieges 1763, der im ganzen Land gerade unter den wehrfähigen Männern viele Tote und Vermisste gefordert hatte, bekam das Schützenwesen, besonders im Rheinland, mit Unterstützung vieler Landesherren neuen Auftrieb. Das war Vogelschießen durchzuführen, verbot die andere mit dem Hinweis, dass das Vogelschießen aus „abergläubischen Wurzeln“ herrühre und deshalb zu unterlassen sei.

In dem einen Landstrich wurde sogar das Scheibenschießen verboten, insbesondere wenn es mit „Gelagen und Einladungen an Frauen“ verbunden war. In dem anderen wurden bestehende Verbote wieder aufgehoben mit dem Hinweis, dem Bürger sei „ein Tag zu seiner Ergötzlichkeit wohl zu gönnen“.

Die Obrigkeiten besannen sich aber wieder der Bedeutung der Schützen für ihre Heimatverteidigung und unterstützten sie zunehmend. So wurden allgemeine Abgaben der Bauernhöfe und Gewerbetreibende teils zu Gunsten der Schützenvereinigungen erhoben. Eine ganze Reihe von Abgabepflichtigen in Brünen mussten Beträge „den Schütten gewinnrührig“ abführen.

In diesem Zusammenhang musste ein Marienthaler Pächter im Jahre 1766 für die Weidenutzung in Brünen ‚2 clevische Dahler’ entrichten. Dieses Geld wurde „ … in festo Jois Baptista im Dorfe Brünen von denen mehrgenannten Interessirten verzehret…“ , das heißt übersetzt auf dem Schützenfest am 24. Juni, dem Johannistag, vertrunken. Oder ein Jahr später wurde ein Pächter wegen einer Ordnungswidrigkeit bestraft in dem er „… jährlich nicht nur 2 Reichstaler an die Brünensche gemeine bezahlen, welche der zeitliche Holzrichter Amts Brünen eincassirte, ingleichen eine halbe Tonne Bier auf Sanct Joh: Tag zum Besten geben müsste…“

Die Franzosen kommen

Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Franzosen in das Rheinland einmarschierten, spekulierten die Militärs darauf, mit den Schützen ein „wohlgeübtes Subsidienkorps“ wenigstens zur Begleitung von Transporten und zur Bewachung von Magazinen und Flussübergängen einsetzen zu können und riefen zur Volksbewaffnung auf.

Aber selbst in den betroffenen Gebieten an Rhein und Mosel fand der Generalfeldmarschall Prinz von Coburg mit seinem Aufruf: „Stehet auf zu Tausenden und kämpfet mit uns, für euren Altar, für euren Herd, für euren Kaiser, für eure Freiheit!“ nur geringen Widerhall. In den 1797 an Frankreich gefallenen linksrheinischen Gebieten wurden nicht nur die Zünfte verboten, sondern auch die Schützengesellschaften. Durch Entwaffnung, Verbot von Schützen- und Kirchweihfesten usw. wurde ihnen das Leben schwer gemacht und damit vielfach auch die Grundlage entzogen.

Brünen blieb bis 1806 preußisch und kam dann zum neu gebildeten Großherzogtum Berg, welches 1808 dem französischen Kaiserreich unterstellt wurde. Dies änderte sich erst wieder nach den Befreiungskriegen und der europäischen Neuordnung auf dem Wiener Kongress 1815. Die einsetzenden Befreiungskriege gaben auch dem Schützenwesen wieder Aufschwung. Nach dem Aufruf Friedrich Wilhelm III. vom März 1813 „An mein Volk“ und der Errichtung der Landwehr und des Landsturms drängten vor allem viele junge Schützen zu den Waffen, um mit dem Heer gegen Napoleon zu marschieren.

Der Landsturm wurde zusammen mit der Landwehr in Preußen durch königliche Verordnung vom 17. März 1813 begründet und die insgesamt 149 Bataillone sollten die regulären Truppen unterstützen. Die Vorbeugung und der Schutz vor Übergriffen von Soldaten, Wachehalten und Ausspähen des Gegners waren die Aufgaben. Bei der Belagerung und Eroberung der Festung Wesel 1814 taten sich die 400 zwischen Rhein und Lippe ortskundigen Männer des Landsturms, der sich im Kern aus Schützen der Umgebung rekrutierte, in besonderer Weise hervor. Der spätere preußische König Friedrich Wilhelm IV. hielt bei der Durchreise in Brünen an, um sie dafür durch seine Anwesenheit zu ehren.

Nach dem Sieg der Verbündeten über Frankreich hielten es viele Landesfürsten allerdings wieder für angebracht, eine Volksentwaffnung durchzuführen, die teilweise auch die Schützen betraf.

Im Großherzogtum Berg aber versuchte die Regierung sich in den Schützen durch die Bildung einer Bürgergarde eine verlässliche Stütze zu sichern.

Die industrielle Revolution

Um die Wende zum 19. Jahrhundert brachte die einsetzende industrielle Revolution wieder eine neue Grundlage für die daniederliegenden Schützengesellschaften. In den Bruderschaften, in denen es seit jeher eine auf Gegenseitigkeit ausgelegte Hilfe gab, wurden die „Kranken- und Sterbeladen“ eingerichtet, die bei Krankheit und nachgewiesener Invalidität einsprangen und Sterbebegleitung leisteten.

In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurde diese Hilfe in zahlreichen Schützenbruderschaften gegen einen Beitrag in Statuten festgelegt und als fester Anspruch abgesichert. Keinen Anspruch auf Krankengeldleistung hatte nach den Statuten, wer „vorsätzlich durch liederliches und unordentliches Leben, als zum Beispiel Saufen, Schwärmen oder Schlagen krank oder verwundet worden ist“.

Über ein halbes Jahrhundert lang sorgten diese Einrichtungen für soziale Sicherheit und brachten den Schützenbruderschaften wieder starken Zulauf. Teilweise verzehnfachten sich innerhalb weniger Jahre die Mitgliederzahlen, bis dann schließlich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts überall die Ortskrankenkassen eingerichtet wurden und diese Fürsorge im Krankheits- und Todesfall übernahmen.

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